Hermann Haack im Interview zur Malta-Themenreise

Hermann Haack, der Vorsitzende der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte, erläutert in einem Interview die Erkenntnisse, die er auf der diesjährigen Themenfahrt nach Malta gewonnen hat. Er spricht einige Probleme des EU-Staates Malta in aller Deutlichkeit an.

Die Lippische Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte hat eine Reise nach Malta unternommen. Es war eine weniger touristische Reise, mehr eine politische. Was sind Ihre Erkenntnisse?

Die Republik Malta ist spätestens seit der Ermordung der Journalistin Daphne Corona Galizia durch die maltesische Mafia in die internationalen Schlagzeilen geraten. Aber auch anderweitig lohnt es sich, genauer auf die Insel zu blicken. Ich meine die Flüchtlingsfrage. Ferner weiß der politisch Interessierte spätestens seit der Veröffentlichung der Panama- und Paradiese Papers, dass die Insel ein Hotspot internationaler und europäischer Probleme geworden ist.

Wie reagieren die maltesische Regierung und die Bevölkerung auf die Kritik?

Uns hat eines erstaunt: Kurz nachdem die Empörung über die Papiere und die Ermordung der Journalistin ihren Höhepunkt überschritten hatte, setzte der Ministerpräsident Muskat von der Arbeiterpartei Neuwahlen an und gewann diese mit Abstand, obgleich er und der gesamte Clan seiner Partei unter Verdacht von Korruption stehen.

Wir fragten sowohl den Wirtschaftsreferenten der Deutschen Botschaft als auch den maltesischen, international geschätzten Blogger Manuel Delia danach. Wir bekamen eine verblüffende Antwort. All das hat mit dem familiären Alltag der Malteser nichts zu tun. Die Konjunktur läuft, die Einkommen sind hoch, die Sozialleistungen sehenswert. Da, wo betrogen wird, handelt es sich um anderer Leute Geld oder das der EU, nicht um das der maltesischen Bürger. Was soll`s?

Die Geschichte der Malteser war immer fremdbestimmt; sie sind erst seit 70 Jahren unabhängig. Es gibt keine Öffentlichkeit wie bei uns. Es zählt, was ich von dem Großen Kuchen abbekomme. Somit sind maltesische Kritiker wie die Journalistin Galizia und der Blogger Nestbeschmutzer.

Demgegenüber wird das vereinte Europa immer als Wertegemeinschaft gesehen. Wenn sich da zwischen Anspruch und Wirklichkeit solche Welten auftun, was ist dann zu tun?

Standpunkte benennen und im politischen Alltag vertreten. Klar gegen eine Politik von Mitgliedern der EU Stellung beziehen, die Geld haben wollen, aber den Wertekonsens ignorieren, sogar noch damit prahlen, dagegen zu verstoßen wie Polen, Ungarn, Rumänien etc.

In Malta die Groteske: da werden für eine Million Dollar EU-Pässe an die Strolche der Welt verkauft, die damit durch ganz Europa reisen und Geschäfte machen können, dagegen werden die Migranten zurückgeschickt, so sie nicht im Mittelmeer ertrinken.

Bei allen unseren Gesprächen spielte der Pässe-Verkauf, die damit verbundene Geldwäsche über das System des Online-Wetten eine große Rolle. Dazu kommt die Korruption im EU-Bereich, die auch auf Malta deutlich ist. Das gewaschene Geld verschwindet in der Tourismuswirtschaft in Form von Hotelbauten, Restaurants, Luxuswohnungen etc. Dabei fällt auf, Bauregeln gelten nicht.

Zur Zeit wirbt Malta mit dem Titel „Europäische Kulturhauptstadt“. Ist das von Ihnen Geschilderte nicht einseitig?

Es sind zwei Seiten einer Medaille. Malta selbst hat keine natürlichen Ressourcen, selbst Wasser nicht, da arbeiten Entsalzungsanlagen. Malta war auf Grund seiner Lage als Felseninsel immer ein strategischer Punkt für große Reiche. Fremdherrschaft hat begonnen mit den Phöniziern und endete bei den Engländern, die vor 70 Jahren Malta in die Unabhängigkeit entlassen haben. Erst seitdem lebt Malta selbstbestimmt.

Das spiegelt sich in allem wider. Festungen, befestigte Städte, eine bis heute kleinteilige Landwirtschaft, Ausdruck stagnierender Entwicklung. Auf Grund eben dieser Ressourcenknappheit war Malta immer auf Beziehungen nach „draußen“ angewiesen. Das spiegelt sich alles wider in einer Sprache und Kultur, die von historischen Einflüssen geprägt ist, sich ausdrückt in Bauten, im Lebensgefühl. Insofern ist das die gute, eben touristische Seite. Auch die haben wir genossen.

Malta ist auch ein Hotspot in Seerettung von Migranten. War die Gruppe auch da vor Ort?

Ja, den Weg geebnet dazu hat uns eine Barntruperin, Caroline Schröder, die eine Koordinationsfunktion in der Organisation Sea Watch hat. Dank Ihrer Verbindungen konnten wir die „Lifeline“, ein dort festgehaltenes Rettungsschiff, besuchen und mit Teilen der Mannschaft sprechen.

Und der Eindruck?

Hier wird der Bruch zwischen Worten und Taten deutlich. Einerseits beziehen sich die politischen Eliten auf den europäischen Wertekanon als politische Wanderprediger, aber wenn es an das Eingemachte geht, dann zerfällt die Gemeinschaft. Jeder gegen jeden.

Das wirkt sich natürlich auf die Zivilgesellschaft aus, die die Seenotrettung organisiert. Zur Zeit werden die Schiffe unter fadenscheinigen Begründungen lahmgelegt, mit Prozessen seitens der maltesischen Staatsanwaltschaft überzogen, zum anderen ihnen unterstellt, nützliche Idioten der Schlepperbanden zu sein. Hier stehen sich die Fronten unversöhnlich gegenüber.

Die Mannschaft selbst lebt ihre Überzeugungen, sehr beeindruckend. Sie geben zum Teil gute Berufe auf, um ihrer Einstellung gemäß zu leben. Da wird Überzeugung sichtbar, nicht Abenteuertum.
Man schämt sich schon etwas.

Im kommenden Jahr sind die Wahlen zum Europäischen Parlament. Wie kann Einfluss genommen werden, damit sich die von Ihnen geschilderten Verhältnisse ändern?

Wir erleben ja in der Europäischen Union, dass zunehmend Staaten von Populisten gekapert werden. Deren Ziel ist, bei den Wahlen mehrheitsfähig zu werden. Das wäre aus unserer Sicht das Ende des Europäischen Projektes der Nachkriegszeit.

Der Blogger Manuel Delia hat geraten, die Menschen zu mobilisieren, Ihnen anhand der Panama-/Paradisepapers zu sagen, worum es geht, deutlich zu machen, dass Staaten, die den politischen Mord hinnehmen, geächtet werden müssten.

Es kann nicht sein, dass der Maltesische Präsident Muskat demnächst EU-Ratsvorsitzender wird, ein Mann, der mit seinem politischen Clan den Staat Malta übernommen hat, um dann fragwürdige Finanztransaktionen zu dulden, die Gründung von Banken kriminellen Hintergrunds zu erlauben etc. Das Problem ist nur, dass alle Staaten irgendwo mit dabei sind. Nachvollziehbar an der Digitalsteuer.

Konkret wollen wir in Lippe Wahlprüfsteine erarbeiten, diese den Kandidaten zur Europa-Wahl vorlegen und die Antworten diskutieren.

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