Die „Scheune“ im Lemgoer Cafe Vielfalt war mit mehr als 70 Gästen bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Vorsitzende der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte, Hermann Hack, die Entwicklung von Kunst und Kultur als lebenswichtig für die Gesellschaft bezeichnete. Dies sei der Hintergrund für die Veranstaltung unter dem Thema „Der Kultur auf der Spur – neue Inhalte, neue Formen kommunaler Kulturpolitik“.
Ein absoluter Fachmann zur Beschreibung aktueller Entwicklungen und Tendenzen in der Kunst- und Kulturszene ist der Intendant des Bonner Kunstmuseums, Professor Dr. Stephan Berg. Mit dem Thema „Museen – zwischen Kommerz und (selbstverschuldeter ?) Krise“ konnte er exemplarische Probleme identifizieren und einordnen. Erstaunt waren alle, als Prof. Berg vorrechnete, dass mit 110,5 Millionen Besuchern jährlich achtmal mehr Menschen in Museen gehen als zu den Fußballbundesligaspielen der ersten und zweiten Liga zusammen. Allerdings relativierte er diese Zahlen, als er beschrieb, dass auch die Zahl der Museen in den letzten Jahren deutlich zugenommen habe und eine Konzentration in den deutschen und internatioalen Metropolen stattfinde.
Der Zwang , die eigene Existenzberechtigung immer wieder unter Beweis zu stellen und die Finanzierung zu sichern, führe dazu, dass die Museen heute weniger Bildungseinrichtungen (für alle) seien als oft viel mehr Teil der Touristikindustrie würden. Deshalb nähmen auch in renommierten Kunstmuseen die Wechselausstellungen ständig zu mit der Vernachlässigung der Arbeit mit eigenen Sammlungen. Viele Museen gingen selbst teilweise zu bereitwillig den Weg hin zu einer reinen Eventlogik. Dabei müssten sie sich zunehmend den ökonomischen Marktgesetzen unterwerfen, nicht selten im Interesse cleverer Kunstvermarkter. Eine Privatisierung von Kunst und Museen sei dann nur folgerichtig.
Ein gesellschaftliches Interesse und damit öffentliche Finanzierung sei nur gerechtfertigt, wenn sich Museen dem Mainstream mit seiner Vermarktungslogik entzögen, ihre Kernkompetenzen des Sammelns, Forschens und Präsentierens weiter entwickelten und Museen zu einem Ort des produktiven Fremd-Werdens machten. Nur daraus leite sich Erkenntnisgewinn und damit Fortschrittsfähigkeit von Menschen ab.
Wie in der sich anschließenden Diskussion deutlich wurde, müsse dies auch das zentrale Kriterium für öffentliche Förderung sein. Die Bedienung von Marktinteressen könne auch in privater Form erfolgen. Die Direktorin des Weserrenaissance-Museums, Frau Dr. Lüpkes, unterstützte die Argumentation Prof. Bergs, hob aber auch die Notwendigkeit hervor, sich veränderten Erwartungen und Wahrnehmungsmustern mit neuen Formen der Vermittlung zu stellen. Aus eigener Erfahrung erwähnte sie Formen zielgruppenorientierter Besucherbeteiligung wie das Projekt „Ab ins Schloss“, in dem Jugendliche ihre eigenen Museumserfahrungen an Gleichaltrige weitervermitteln.
Almut Schmersahl, die Vorsitzende der Lippischen Gesellschaft für Kunst, beschrieb das schon 40-jährige ehrenamtliche Engagement mit bereits vielen Ausstellungen, Fahrten zu Kunstereignissen und Vorträgen. Die festen Ausstellungsorte im Detmolder Schloss und im Eichenmüllerhaus in Brake böten immer wieder interessante Eindrücke, beispielsweise in der Ausstellungsreihe mit Künstlern und ihren Schülern.
Eine neue Perspektive auf die Möglichkeiten der Museen eröffnete Thomas Behrend durch die Projekte des Bielefelder Theaterlabors. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern und ist bis heute vor allem Schauspieler, aber auch Regisseur und Projektorganisator. Wie bereits mit dem Weserrenaissance-Museum oder mit dem MARTA in Herford habe es immer wieder Formen der Kombination und Kooperation von Theater und Museum gegeben. Auch Prof Berg nahm dies als bedenkenswerte Anregung mit.
Schließlich beschrieb Christine Förster von der Stiftung Eben-Ezer die künstlerische Arbeit mit Behinderten und die vielen Kooperationsprojekte zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten, z.B. mit Lemgoer Schulen und Museen. Auch im Projekt „Ab ins Schloss“ seien Kinder mit Behinderungen aktiv beteiligt gewesen. „Kunst ist das Medium der Inklusion“, ist sie überzeugt. Moderator Rolf Eickmeier bezeichnete diese Erfahrung als entscheidend wichtig in allen aktuellen Integrations- und Inklusionsbemühungen.
Positiv hervorgehoben wurden die aktuellen Bemühungen des Landesverbandes Lippe, unter Beteiligung vieler Akteure und Interessierter einen Kulturentwicklungsplan zu erarbeiten und zukünftig in Abstimmung mit dem Kreis Lippe als Leitlinie wirksam werden zu lassen. Auch Vertreter der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte haben sich aktiv an diesem Prozess beteiligt. Als besonders wichtig wurden drei Grundsätze herausgestellt: Die zukunftssichere öffentliche Finanzierung von Kunst und Kultur, die planvoll organisierte Zusammenarbeit von Ehrenamt und Hauptamt sowie die Schaffung einer redaktionell betreuten digitalen Plattform mit Einbeziehung sozialer Medien.
Der stellvertretende Vorsitzende der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte, Friedrich Wilhelm Held, hob in seinem Schlusswort noch einmal die gelungene Absicht hervor, unterschiedliche lippische Kunst- und Kulturinstitutionen, Kunstinteressierte und -aktive, Künstlerinnen und Künstler und Vertreterinnen der Institutionen und auch der Politik in einen Dialog zur Kunst- und Kulturentwicklung zu bringen. Sein Dank galt Prof. Dr. Stephan Berg, den Fachleuten aus Lippe und dem überaus interessierten Publikum. Viele angeregte Gespräche ergaben sich noch bei einem Getränk im Anschluss an die Vortrags- und Diskussionsrunde in der Kunstwerkstatt der Stiftung Eben-Ezer im Cafe Vielfalt.