Bautzen – Dresden – Görlitz

Die Herbstfahrt der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte 2020 bot Einblicke in die beeindruckenden Stadtentwicklungen der  vergangenen drei Jahrzehnte in allen drei Städten, warf aber auch immer wieder die Frage auf nach den Gründen für die Stärke der AfD in der Region und im Land Sachsen. Bautzen, Görlitz und Dresden sind mit ihren restaurierten und mit Leben gefüllten Altstadtbereichen immer einen Besuch wert. Die fachkundigen Stadtführungen zeichneten diese Entwicklungen anschaulich nach.

Bautzen/Budysin – die Stadt mit den 17 Türmen – bietet einige Besonderheiten, die in der Stadtführung am Mittwochnachmittag von einer geborenen Bautzenerin mit Begeisterung vorgetragen wurden. Die Türme haben ihre Geschichte als Teile der ehemaligen Stadtmauer oder als ganz wichtige Wassertürme. Die Wasserversorgung war immer ein Problem, liegt doch die Stadt 45 Meter höher als die Spree. Das Wasser muss hoch, früher mit Schwierigkeiten wie zum Beispiel bei Bränden, aber auch für die nach und nach entstehende Wasserversorgung der Häuser.

Noch eine Besonderheit ist die älteste evangelisch-katholische „Simultankirche“ Deutschlands, der Petridom. Die evangelische und die katholische Gemeinde kommen problemlos miteinander aus. Die Küsterfamilie lebt in sehr kleinen Zimmern oben im Kirchturm. Sie müssen sich bei jedem Gang nach oben ihr Wasser von unten mitbringen. In der Altstadt mit kleinen Kopfsteinpflasterstraßen gibt es nicht weniger als 80 Kneipen und Restaurants. Erstaunlich, dass die in einer 40.000-Einwohner-Stadt existieren können. Es kämen abends auch junge Leute aus dem Umland und aus Görlitz. Dort klappe man nämlich abends die Bürgersteige hoch, erklärt die Stadtführerin. Im Übrigen träfen sich die Bautzener gerne im Gasthaus, ohne sich dort satt essen zu wollen.

An den zweisprachigen Straßenschildern wird es sofort deutlich: Die sorbische Minderheit bewahrt ihre Sprache und ihre Traditionen. So gibt es in Bautzen auch eine sorbische Grundschule und ein sorbisches Gymnasium. Und es gibt das Traditionsrestaurant „Wjelbig“ – der passende Ort für das Abschlussessen dieser Fahrt, für das „Feinsitzen“.

Die junge Wirtin pflegt die sorbischen Traditionen durch das Tragen der Kamenzer Tracht. Diese Tracht zeigt u. a. ihren katholischen Glauben an, im Unterschied zu der Bautzener Tracht. Einige wenige nachgesprochenen Worte der sorbischen Sprache reichten, um das äußerst schmackhafte „Hochzeitsmenü“ einzuleiten. (Hintergrundwissen zu der sorbischen Minderheit vom MDR)

Erinnerungen sind wichtig – auch an dunkle Seiten der Bautzener Geschichte mit den zwei berüchtigten Gefängnissen. In der Nazizeit wurden Kommunisten und Sozialdemokraten interniert, auch rassistisch Verfolgte, nach 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht Verdächtigte, denen ihre Mitgliedschaft in Naziorganisationen zum Verhängnis wurde oder eher kleinerer Ungehorsam gegen die Anordnungen der sowjetischen Militärmacht. Und dann übernahm die Stasi Teile des Gefängnisses. Als Regimekritiker eingeordnete Menschen wurden zu langen Haftstrafen verurteilt und litten unter dem Ausspionieren und den täglichen Repressalien. Inzwischen ist das Gefängnis Gedenkstätte, in der die tägliche Unmenschlichkeit unterschiedlicher Herrschaftssysteme nachvollziehbar wird. Der Besuch dort bildete den nachdenklichen Abschluss des Besuches in Bautzen.                                                                                                                       

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Dresden

Die Salzgasse führt auf die Frauenkirche zu

Dresden – Elbflorenz genannt. Genau diesen Eindruck vermittelt die „Salzgasse“ beim Blick von den Brühlschen Gärten, erst recht mit dem Blick von dort auf die Elbe mit dem Schiffsanlegeplatz. Im Umfeld der Frauenkirche mit der Touristenschlange vor dem Eingang, mit Musik und Tanz von Straßenkünstlern*innen macht Dresden den Eindruck einer bunten und weltoffenen Stadt. Dazu tragen auch die imposanten historischen Prunkbauten bei, der Zwinger, die Semperoper, die Kunstakademie und natürlich die wieder aufgebaute Frauenkirche als Mahnmal gegen Krieg und als ein Zeugnis der Versöhnung.

Die Stadtrundfahrt ermöglichte zudem einen Blick auf größere und kleinere Villen außerhalb der Altstadt, umgeben von großen Grundstücken und oft kunstvoll verziert mit Jugendstilelementen. „Keine dieser Villen gehört einem Dresdener“, bemerkte der Reiseführer. Die Fahrt führte über das berühmte „blaue Wunder“, die Löschwitzer Brücke, eine von elf Elbbrücken. Von hier ging der Blick weit ins Elbtal, auf die Weinhänge an der Elbe und auf die Schwebebahn und die Standseilbahn, die die Elbhänge zugänglich machen.

In Dresden gibt es 40.000 Studierende mit 124 Studiengängen und vielen wichtigen Forschungseinrichtungen. Stolz sind die Dresdener auf die Auszeichnung als eine von 11 deutschen Exzellenzuniversitäten. Besondere Bedeutung hat die medizinische Forschung mit dem Universitätsklinikum.

Der Innenstadtbereich wurde zu Fuß weiter erkundet mit Informationen zu manch historischer Besonderheit und schließlich mit dem Besuch im Schatzkammermuseum, dem „Grünen Gewölbe“. Nur durch gut bewachte Eingangsschleusen wurde Einlass gewährt. Die Fülle des früher in feudaler Umgebung angehäuften Gold-, Silber und Juwelenschmucks konnte fast erschlagen. Auch der Gedanke an die damit verbundenen Systeme der Anhäufung riesigen Reichtums der Herrscherhäuser bei ärmlichen Lebensverhältnissen der breiten Bevölkerung musste immer wieder aufkommen.

Das Spannendste sind zurzeit die Ermittlungen der Polizei, um die Diebe zu finden, denen dort im November 2019 ein millionenschwerer Raub wertvollster Schmuckstücke gelang. Noch sind die Diebe nicht gefunden worden.

Es gibt in Dresden bekanntermaßen auch die Abkehr von Weltoffenheit und Buntheit. Regelmäßige Pegida-AfD-Aufmärsche werfen ein fragwürdiges Licht auf die Stadt. Teile der politisch aktiven Stadtgesellschaft wollen und können dazu nicht schweigen. Sie organisieren immer wieder Gegendemonstrationen und stellen sich Pegida in den Weg.

Die Reisegruppe der LGPZ traf sich deshalb im Herbert-Wehner-Haus mit den Organisatoren dieser Gegendemonstrationen. Vom „Bündnis Nazifrei“ berichteten Rita Kunert („Herz statt Hetze“), Margot Gaitzsch (Stadträtin DIE LINKE), Johannes Schumann („Hope“) und Alberto Rietig (DGB-Jugend) über ihre Aktivitäten. Die anschließende Diskussion drehte sich um die Frage, wie Demokratie-Bildung in Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen gelingen könnte.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas beschrieb die Bemühungen um Demokratie-Bildung, aber auch die Hemmnisse und Probleme. In engen familiären Bindungen würden autoritäre politische Hoffnungen oft auch an die jungen Menschen weitergegeben.

Viele weitere interessante Fragen wurden angesprochen, konnten aber in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr ausdiskutiert werden. Deshalb wurde mit Albrecht Pallas ein E-Mail-Interview verabredet. Das Interview erscheint in Kürze hier.

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Görlitz

Oberbürgermeister Ursu mit Hermann Haack

Frühe Abfahrt der LGPZ-Reisegruppe aus dem Hotel in Bautzen Richtung Görlitz. Alle waren gespannt auf den schon für 9.00 Uhr angesetzten Gesprächstermin mit Octavian Ursu (CDU), dem Oberbürgermeister von Görlitz. Octavian Ursu ist seit 2019 Oberbürgermeister, nachdem er in einer Stichwahl gegen den AfD-Kandidaten mit 55 Prozent der Stimmen die Mehrheit errungen hatte. Diese Mehrheit kam zustande, weil sich alle Stadtratsparteien für die Unterstützung Octavian Ursus gegen die AfD zusammengeschlossen hatten. Der AfD-Kandidat unterlag in der Stichwahl deutlich. Dennoch stellt die AfD im Stadtrat mit 13 von 38 Sitzen die stärkste Fraktion.

Octavian Ursu ist gebürtiger Rumäne, ging in Bukarest zur Schule und Hochschule und siedelte 1990 nach Deutschland über. Er übernahm eine Stellung als Solo-Trompeter in der Neuen Lausitzer Philharmonie in Görlitz. Zwischen 1998 und 2014 übte er Lehrtätigkeiten u.a. an der Hochschule für Kirchenmusik in Görlitz aus. 2014 zog er für die CDU in den sächsischen Landtag ein.

Octavian Ursu stellte auch als Gegenentwurf zur AfD-Kommunalpolitik heraus, dass es ihm darauf ankomme, Zukunftsperspektiven für Görlitz zu entwickeln. Die sehe er in einer modernen Arbeitsmarkt- und Industriepolitik, z.B. durch die Ansiedlung von industriellen Technologie-Forschungsprojekten oder auch in einer einzigartigen Hochschulausbildung für Filmschaffende. Görlitz werde deshalb „Görliwood“ genannt, weil bereits 100 Filme, darunter einige Erfolgskinofilme, in und um Görlitz herum entstanden seien. Görlitz werde mit über 4000 großteils restaurierten Kultur- und Baudenkmalen  oft als das flächengrößte zusammenhängende Denkmalgebiet Deutschlands bezeichnet. Dieses besondere Stadtbild sei touristisch interessant und eben auch als Filmdrehort. Daran wolle man anknüpfen.

Octavian Ursu beschrieb die Zusammenarbeit mit der polnischen Schwesterstadt Zgorzelec und ihrem Bürgermeister Rafał Gronicz als unaufgeregt gut. In der gemeinsamen Arbeit vor Ort lasse man sich möglichst wenig irritieren durch nationalistische Bestrebungen.  Man treffe sich oft und arbeite gut zusammen. Ein Beispiel seien die Planungen für ein gemeinsames Stadtwärmenetz der Stadtwerke von Görlitz und Zgorzelec. Dafür müsse man als Oberbürgermeister allerdings auch schon mal nach Berlin fahren ins Auswärtige Amt und anschließend in die polnische Botschaft, wie vor einigen Tagen geschehen. Es gebe tägliche Verbindungen, so arbeiteten zum Beispiel im Görlitzer Waggonbau viele polnische Beschäftigte, die täglich in den deutschen Teil der Stadt pendelten. Die gute Zusammenarbeit gebe es in der gesamten Euroregion Neiße, auch mit den tschechischen Partnern.

In der zweistündigen Stadtführung wurden viele historische Besonderheiten von Görlitz vorgestellt, die bevorzugte Lage an der europäischen Handelsstraße „Via Regia“ führte im 12. Jahrhunderten zur Ansiedlung verschiedener Kaufleute. Görlitz blieb im Zweiten Weltkrieg von Zerstörungen fast völlig verschont. Die historische Altstadt blieb erhalten: An ihren Häusern erkennt man alle wesentliche Phasen der mitteleuropäischen Baustile (Spätgotik-, Renaissance- und Barockbürgerhäuser). Umgeben ist die Altstadt von ausgedehnten Gründerzeitvierteln.

Vom Stadtführer immer wieder besonders hervorgehoben wurden die charakterischen Hauseingänge von Wendel Roskopf, Ratswerkmeister in Görlitz und Landbaumeister in Schlesien. Sehr praktisch die von ihm geplanten Hauseingänge. Auf einem Mauervorsprung rechts und links konnte man sich hinsetzen, um alle Passanten in Ruhe zu betrachten und um mit ihnen auch mal ein Schwätzchen zu halten.

Am westlichen Ende der Neißstraße öffnet sich der Untermarkt, der durch seine Renaissancefassaden geprägt ist. Er wird gesäumt von einem stadtspezifischen Haustyp, dem Hallenhaus, vor geschlossenen Laubengängen. Der bekannteste Vertreter dieses Typs ist der Schönhof, auch erbaut 1525 durch Wendel Roskopf. Er gilt als das älteste bürgerliche Renaissancegebäude Deutschlands. Ebenfalls auf dem Untermarkt befindet sich die markante Ratsapotheke und viele weitere markante historische Gebäude. 

Nach der Stadtführung war es selbstverständlich, vom Dom St. Peter und Paul hinunter an die Neiße zu gehen und über die Altstadtbrücke ins polnische Zgorzelec hinüberzugehen.

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