Vor einem Jahr haben wir als Lippische Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte mit viel Idealismus ein Europa-Projekt begonnen – die europäische Einigungsidee sollte auch junge Menschen überzeugen. Es gab viele Aktionen und Projekte mit jungen Menschen. Erfreulich dann auch, dass die Wahlbeteiligung bei der Wahl zum Europaparlament im Mai deutlich stieg. Was ist aus den Hoffnungen der Europa-Befürworter geworden?
Für die LGPZ wurden die Hoffnungen und Überzeugungen weiter bestärkt durch die Themenfahrt in die Euregio Saar-Lor-Lux. Die Grenzen sind für alltägliches Handeln offen, es wird regional und nicht national gedacht und es wird weiter an europäischen Ideen gearbeitet. Das alles konnte die Reisegruppe beobachten und erleben.
Dabei konnte die LGPZ-Reisegruppe immer auch etwas über die Mühen der politischen Ebene erfahren, in der es oft langwierig und mühsam ist, eine Einigkeit unter 27 Staaten herzustellen. Beispielhaft sei die europäische Staatsanwaltschaft erwähnt, die zum Beispiel gegen Korruption und europäischen Steuerbetrug vorgehen kann. Nach langen Verhandlungen hatte man sich geeinigt, sogar auf die Leitung durch eine engagierte rumänische Staatsanwältin. Aber dann wird die Einrichtung bis heute durch Malta blockiert, weil dort angeblich kein Jurist/keine Juristin gefunden werden kann zur Vertretung des Landes in dem Gremium.
Offenkundig hat in diesen Tagen die Extremsituation der Corona-Pandemie verstärkt zu nationalstaatlichem Handeln geführt – gemeinsames und solidarisches Handeln wäre bestimmt für alle besser gewesen. Aber das nationalstaatliche Denken war schon in der Vergangenheit unter der Oberfläche und in manchen Ländern provokativ offen immer stärker geworden, nun hat es sich in der Krise voll durchgesetzt.
Die Corona-Überlebensfragen überdecken zurzeit natürlich alles andere. Das zweite brandaktuelle Thema, die Flüchtlingssituation an den europäischen Grenzen gerät völlig in den Hintergrund, auch wenn dabei offiziell kurzerhand europäische Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Krisenzeiten eignen sich wohl auch nicht für Reformen im europäischen Politik-System. Dennoch waren sie angedacht. Der große Abstand zwischen der Alltagswahrnehmung der Menschen zu den politischen Gremien in Brüssel sollte verringert werden – eine Absichtserklärung Ursula von der Leyens bei ihrem Amtsantritt als Kommissionspräsidentin. Am Europatag im Mai sollte deshalb eine konkrete Initiative zur Einbindung des Bürgerwillens in europäische Politik erfolgen. „Zukunftskonferenzen“ sollten auf den Weg führen.
Die Mitglieder der LGPZ haben sich mehrheitlich für das Jahresthema „Zukunft Europas in Krisenzeiten“ ausgesprochen. Als Einstieg war die Frage nach den Chancen europäischer „Zukunftskonferenzen“ gewählt worden. Eine geplante Veranstaltung dazu liegt in der Corona-Krise auf Eis. Aber die Informationen und die Beschäftigung mit dem Thema sind möglich. In den folgenden Artikeln wird der Anfang gemacht.