LGPZ-Reisegruppe erlebt Malta

Malta hat eine beeindruckende kulturverknüpfende Geschichte und eine eher bedrückende Gegenwart. Die Reisegruppe der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte erlebt dies hautnah im Wechsel des dicht gedrängten Programms. Neben den historischen und gesellschaftlichen Besonderheiten standen die deutsch-maltesischen Beziehungen und die Hintergründe des Mordes an der Journalistin Daphne Caruana Galizia zunächst im Vordergrund des Interesses. Mit dem Schiff rund um Valletta

Das EU-Mitglied Malta hat heute 470.000 Einwohner und 372.000 Autos. Der Verkehrssituation ist dann auch entsprechend. Immerhin gibt es den öffentlichen Personennahverkehr. Eine zweistündige Fahrt kostet 2,00 Euro, im Winter nur 1,50 Euro, Rentner zahlen 25 Cent. Die maltesische Sprache ist eine Mischung aus Italienisch, Spanisch und Arabisch, mit vielen arabischen Elementen, aber mit lateinischen Buchstaben. Auch die Architektur zeigt diesen Kulturmix aus maurischen, aber auch barocken Elementen mit dem warmen Sandstein der Region.

Das politische System

Das politische System besteht im Prinzip aus zwei Parteien, der sozialdemokratischen Partit Laburista und der konservativen Partit Nazzjonalista. Seit 2013 sind die Sozialdemokraten mit Ministerpräsident Muscat an der Regierung. Sie wurden 2017 im Amt bestätigt. Die hohe Wahlbeteiligung von 92 Prozent müsste eine Herausforderung für bürgernahe Politik sein. Die gegenwärtigen Mittel und Methoden stehen jedoch international in zunehmender Kritik. Auf jeden Fall ist das Sozialsystem so weit ausgebaut, dass die Gesundheitsversorgung und auch die Ausbildung, einschließlich des Studiums, komplett kostenfrei sind. Die Arbeitslosigkeit ist gering. Es gibt ein  überdurchschnittliches Wachstum mit einem regelrechten Bauboom. Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Hinzu kommt mit zunehmender Bedeutung das Glücksspiel. Malta ist Standort für Online-Glücksspielketten, die damit die Lizenz für die gesamte EU bekommen. Malta ist zudem beliebte Steueroase. Die Einnahmen des Staates – und wohl auch einer Reihe hoher Repräsentanten – speisen sich zudem aus Geldern internationaler Finanzjongleure. Bekannt ist auch die Idee, den Erwerb der europäischen Staatsbürgerschaft an eine hohe Gebühr und an Immobilieninvestitionen auf Malta zu koppeln.

Das Daphne-Projekt

Die LGPZ-Reisegruppe traf sich mit dem Blogger Manuel Delia, der eng mit Occupy Justice zusammenarbeitet. Er will mit dazu beitragen, dass der heimtückische Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia aufgeklärt wird. Zur Erinnerung: „Vor sechs Monaten wurde auf Malta die Journalistin Daphne Caruana Galizia mit einer Autobombe getötet. Wieder und wieder hatte sie über die Zustände in ihrem Land berichtet: Über einen Premierminister, der maltesische Pässe an reiche Russen verkauft, und ranghohe Politiker, die Offshore-Firmen besitzen. Dann schlugen die Mörder zu“, – so beginnt ein Dossier in ZEIT-online. Das mutige Engagement von Manuel Delia und anderen beeindruckte die Reisegruppe zutiefst. Die Gedenkstätte für Daphne Caruana Galizia war deshalb anschließend das Ziel der gesamten Gruppe. Alle Kerzen und Blumen, die dort niedergelegt werden, werden jeden Tag von der Polizei abgeräumt.

Deutsch-maltesische Beziehungen

In Valletta wurde die Gruppe im Palazzo des Deutsch-Maltesischen Zirkels vom Wirtschaftsreferenten der deutschen Botschaft, Olaf Rieck, empfangen. Er erklärte die Aufgaben des Deutsch-Maltesischen Zirkels, der die gleichen Aufgaben und Strukturen wie das bekanntere Goethe-Institut hat, also die Vermittlung deutscher Kultur und Sprache. Olaf Rieck arbeitet vor allem auch an der Unterstützung deutsch-maltesischer Wirtschaftsbeziehungen – und dies schon seit 18 Jahren. Er ist mit einer Malteserin verheiratet.

Historische Hauptstadt Mdiena

Erste Station auf der Fahrt vom Flughafen nach Valletta war die ehemalige Hauptstadt Mdiena, heute mit etwas mehr als 200 Einwohnern, aber einer langen Geschichte, die nachweislich schon in der Bronzezeit begann.  Den Johannitern, die sich 1530 auf Malta niederließen, sagte die strategische Lage der Stadt zunächst so gut zu, so dass sie Mdina zu ihrer ersten Residenz machten, später aber wieder verließen. Der Einfluss der Johanniter lässt sich deshalb an vielen anderen Orten Maltas erkennen. Das mittelalterliche Stadtbild in Mdiena ist geprägt von schmalen Gassen und den aus dem maltatypischen sandfarbenen Kalkstein errichteten Palästen und Kirchen. Mdina wird auch „die stille Stadt“ genannt, denn es gibt dort nur ein Hotel und wenige Restaurants, sodass die meisten Touristen Tagesgäste sind. Abends präsentiert sich der Ort nahezu menschenleer.

„Hier weht ein Wind, der menschenverachtend ist“

Im Mittelpunkt des dritten Tages in Malta sollte der Besuch auf dem Seawatch-Rettungsschiff  stehen. Die „Seawatch 3“ durfte allerdings nach monatelanger Blockade vor wenigen Tagen Malta verlassen (Wir berichteten). Deshalb wurde ein anderes dort vor Anker liegende Rettungsschiff besucht und dabei über die grausame Situation im Mittelmeer diskutiert.

Die Reisegruppe der Lippischen Gesellschaft besuchte an diesem Tage jedoch zunächst das Büro der Europäischen Gemeinschaft, ohne allerdings grundlegend Neues zu erfahren.  Es schloss sich eine historisch interessante Stadtführung in Valletta an. Das abendliche gemeinsame Essen, „Fein sitzen“ genannt, war neben dem Kulinarischen noch gewürzt mit Folklore- Musik und später auch Folkloretänzerinnen.

Elisabeth Webel schildert ihre Eindrücke auf dem Rettungsschiff, mit dessen Besatzung gesprochen werden konnte: „So sind wir nun auf einem Boot von Lifeline, das in einer Rettungsmission technisch bereit jederzeit auslaufen könnte. Was Richard, ein Besatzungsmitglied, uns zum Beispiel über ihre letzte Mission erzählt, erschüttert und beeindruckt uns sehr. Allein bei dieser letzten Aktion haben sie 465 Flüchtlinge aus Schlauchbooten gerettet und davon 235 Menschen, Männer, Frauen, Kinder an Bord nehmen können. Für uns unvorstellbar, wie so viele Menschen über eine Woche auf diesem Schiff leben konnten. Sieben Tage mussten sie vor Maltas Küste kreuzen, bis sie eine Genehmigung zur Landung bekamen, so lange hatte das Genehmigungsverfahren gedauert, , ein „ künstliches Austrocknen“ meint Richard. Schiffe der Malta Navy haben sie dabei mit den nötigsten Lebensmitteln versorgt. Für die Flüchtlinge sind diese Situationen für uns unvorstellbare Voraussetzungen für einen Neubeginn in einer vermeintlich besseren Welt. Eine weitere Äußerung Richards stimmt uns sehr betroffen „Hier weht ein Wind, der menschenverachtend ist“. Der unermüdliche Einsatz dieser 19-köpfigen Crew, noch dazu gegen erhebliche äußere Widerstände, genießt unser aller Hochachtung, ebenso wie der der zusätzlichen zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die für konkrete Missionen ihren Urlaub opfern. Häufig geäußerte Vorwürfe, sie mischten sich durch ihre Aktionen in die Flüchtlingspolitik ein, widerspricht ihrer humanitären Zielsetzung: „Wir wollen durch zivile Seenotrettung Menschen helfen, Menschenleben retten und nicht über den Verbleib der Flüchtlinge entscheiden.“  

 

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