Man konnte eine Stecknadel fallen hören, als Caroline Schröder im Cafe Vielfalt im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Politik am Samstagvormittag“ von ihren Erlebnissen auf einem Flüchtlingsrettungsschiff im Mittelmeer berichtete, als sie Fotos und Filmdokumente von dramatischen Menschenrettungen im Mittelmeer zeigte und von ihren Beobachtungen und Erlebnissen in unmenschlich überfüllten griechischen Flüchtlingslagern erzählte.
Caroline Schröder arbeitet seit einiger Zeit ehrenamtlich für die private Rettungsorganisation „Sea Watch„, war auf einem der Schiffe im zentralen Mittelmeer und in der Ägäis mehrere Wochen unterwegs. Sie hat ihren gesicherten Beruf in einem internationalen Konzern der Lebensmittelindustrie aufgegeben – auch weil sie erkannt hat, dass die weltweit agierenden Großkonzerne die Fluchtursachen wesentlich mit erzeugen.
Faktenreich beschrieb Caroline Schröder das Flüchtlingsproblem mit weltweit 65 Millionen Flüchtlingen. Ein kleiner Teil davon versucht unter Einsatz ihres Lebens nach Europa zu kommen – über Europas „Burggraben“, das Mittelmeer. Dabei sind vom Jahre 2000 bis heute 40.000 Menschen umgekommen. Das offizielle Europa schottet sich ab, versucht Flüchtlinge abzuschrecken, sie möglichst in türkischen oder libyschen, bekanntermaßen unmenschlichen Lagern festzuhalten.
Unmenschliche Lager gibt es seit langem auch auf den griechischen Inseln, wenn zum Beispiel in einem Lager für 1.800 Personen mehr als 8.000 leben müssen. Caroline Schröder war dort und konnte ihr Entsetzen über die Verhältnisse nicht verbergen.
Auch weiß jeder, Italien und Griechenland werden von der europäischen Politik mit der Flüchtlingssituation weitgehend allein gelassen. Es gibt keine europäische Flüchtlings- oder gar Integrationspolitik. Caroline Schröder ist überzeugt: „Die Zustände sind so gewollt, sie sind politisches Kalkül.“
Die offiziellen Abschreckungs- und Abwehrmaßnahmen gehen in der Ägäis sogar so weit, dass Boote der Küstenwache schnell und nah an überfüllten Flüchtlingsbooten vorbeifahren, bewusst in Kauf nehmend, sie zum Kentern zu bringen. Filmdokumente zeigten solche erschreckenden Seemanöver. Caroline Schröder beschrieb viele Situationen, in denen die privaten Retter von offiziellen Stellen behindert und in der Öffentlichkeit zusätzlich diffamiert werden. Ihre eigene Betroffenheit konnte Caroline Schröder nicht verbergen: „Ich bin nach wie vor erfüllt von Wut“.
Wie kann es weiter gehen? fragt sich natürlich jeder. „Sea-Watch“ erhebt fünf zentrale Forderungen;
- Sichere und legale Einreisewege nach Europa.
- Entlastung der Transitländer und der europäischen Ankunftsländer.
- Aufkündigung der „schmutzigen Deals“ mit der Türkei und Libyen.
- Aufnahme in Europa organisieren.
- Menschenrechte müssen über allem stehen.
Caroline Schröders Erlebnisse und Einschätzungen wurden voll und ganz unterstützt von dem Lemgoer Heiko Dross, der gerade von einer zweiwöchigen Rettungsmission aus dem Mittelmeer zurückgekehrt war, für die er seinen Jahresurlaub eingesetzt hatte.
Er wies darauf hin, dass 80 Prozent der Rettungseinsätze von privaten Organisationen durchgeführt werden, die vom Engagement der Freiwilligen und von Spenden leben müssen. „Sea Watch“ mit Caroline Schröder und „Sea Eye“ von Heiko Dross bekommen keinerlei staatliche Zuwendungen. Hermann Haack, Vorsitzender der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte, rief deshalb die Anwesenden dazu auf, die Spendenmöglichkeiten zu nutzen und Informationen darüber weiterzugeben.
In der anschließenden Diskussion wurden auch zivilgesellschaftliche Hilfs- und Integrationsbemühungen in Lemgo vorgestellt, z.B. die Kleiderkammer für Kinder unter dem Namen „Die Schlossmäuse“, die Räume in der Remise von Schloss Brake unentgeltlich zur Verfügung gestellt bekommen. Dreizehn Frauen arbeiten kontinuierlich dort mit. Auch dies ein Beispiel für ehrenamtliches Engagement im Rahmen der Lemgoer Flüchtlingshilfe.
Hermann Haack schloss die Veranstaltung mit einem von allen geteilten Dank an Caroline Schröder, nicht ohne seine eigene tiefe Betroffenheit zu erwähnen und seine immer wieder auftauchende politische Ratlosigkeit zuzugeben.
Hier noch einmal die Informationen zu den Rettungsorganisationen: