Kunst und Kultur – unverzichtbare Stützen unserer Gesellschaft

„Stellen wir uns vor, es gäbe all das nicht, was wir auf unserer Themenfahrt „Kunst und Kultur – Stützen der Gesellschaft?“ gesehen und gehört haben“, mögen sich die Teilnehmer am Ende gefragt haben. Die einhellige Antwort kann nur lauten: „Wir wären eine arme Gesellschaft, reduziert auf kalte Ökonomie und ein eher belangloses Leben.“  Die Reisegruppe erlebte eindrucksvolle Kunst- und Kulturpräsentationen in der „Sammlung für verfemte Kunst“, in der Bonner „Macke-Marc-Ausstellung“, im „arp museum“ Rolandseck mit der Architektur Richard Meiers oder im Skulpturenpark Wuppertal mit den Arbeiten Tony Craggs und Stephan Balkenhols.  Aktuelle Kleinkunst-Erlebnisse im Pantheon-Theater mit der A-Capella-Gruppe „Basta“ oder im Comedia-Theater Köln mit dem Kaberettisten und herausragenden Tubisten Andreas M. Hofmeir zeigten die Vielfalt der Kunstszene. Ein Abstecher zum ehemaligen Kanzleramt mit der Besichtigung  des Kanzlerbungslows und der anschließenden Fahrt auf dem Rhein von Bonn bis in die Willy-Brandt-Stadt Unkel ergänzten das Programm.

Sehr engagierte Arbeit hinter den Kulissen

Es wurde jedoch nicht nur Kunst erlebt, sondern an vielen Stellen ein Blick hinter die Kulissen ermöglicht – durch enorm engagierte Kunst- und Kulturorganisatoren, Manager und Politiker. Bewundernswert, wie Prof. Jessewitsch über Jahre die von den Nazis verfemte Kunst wieder aufgespürt und gesammelt hat, im Museum in Solingen-Gräfrath in Zusammenarbeit mit Stiftungen und Sponsoren präsentiert und erreicht hat, dass diese Bemühungen bundesweit im „Zentrum für verfemte Künste“ gebündelt und weitergeführt werden können.

Sehr beeindruckend auch der Bonner Museums-Intendant Prof. Dr. Berg, der seine Aufgaben als Fachbereichsleiter der finanziell äußerst klammen Stadt Bonn mit seinem Ziel in Einklang zu bringen versucht, „das kulturelle Gedächtnis unserer Gesellschaft zu bewahren“. Er beschrieb sehr anschaulich die Schwierigkeiten, die sich aus den kommunalen Sparzwängen ergeben und dem Wunsch, namhafte und Aufsehen erregende Kunst zu präsentieren. Dies ist sicher mit der Ausstellung „Franz Marc und August Macke – eine Künstlerfreundschaft“ beispielhaft gelungen. Die Reisegruppe war von den ausgestellten Werken äußerst beeindruckt und konnte dies in Verbindung bringen mit dem tragischen Ende beider Künstler in Zeiten des 1. Weltkriegs.

Politische  Zielvereinbarungen für Kunst und Kultur notwendig

Auch die Rahmenbedingungen für eine solche Groß-Ausstellung waren im Bewusstsein der Besucher. Prof. Berg hatte über die sechsjährige Vorbereitung für diese Ausstellung gesprochen, ebenso über extrem hohe Personal-,Transport- und Versicherungskosten für diese und andere namhafte Kunstwerke, die im Besitz der Bonner Museen sind. Diese Ausgaben lassen sich nur rechtfertigen, wenn in den politischen Entscheidungsgremien klare Zielvorstellungen entwickelt werden könnten. Prioritätensetzungen, Vernetzung und Kooperationen seien dabei notwendig, auch Abbau von traditioneller kommunaler Konkurrenz im Kulturangebot. Das alles sei jedoch auf politischer Ebene bisher nicht zu erreichen, bedauerte Prof. Dr. Berg. In der Diskussion ergaben sich schnell Vergleiche mit der Situation in Lippe und OWL.

Kann es eine Klärung der politischen Rahmenbedingungen geben, war die Frage eines Vortrags des Ministerialdirigenten a.D. Heiner Kleffner über den zurzeit im NRW-Landtag zu beratenden Gesetzentwurf für ein Kunst- und Kulturfördergesetz. Heiner Kleffner beschrieb die Inhalte des umfangreichen Gesetzes, das die Kunst- und Kulturförderung als „pflichtige“ Aufgabe den Kommunen zuschreibt. Die Verpflichtung dazu ergibt sich aus Artikel 18 der Landesverfassung. Um der Aufgabe planvoll und gezielt nachkommen zu können, soll jede Kommune in Zukunft einen Kunst- und Kulturförderplan erstellen und regelmäßig überprüfen. Über die Vor- und Nachteile eines solchen Gesetzes wurde sehr kontrovers diskutiert. Es scheint sicher zu sein, dass der Gesetzentwurf im Landtag am Ende des Jahres eine Mehrheit findet.

Staatliche Finanzierung von Kunst und Kultur zunehmend schwierig

Wiederkehrendes Motiv in allen Gesprächen und Diskussionen war die schwierige Finanzierbarkeit von Einrichtungen und Projekten, häufig verbunden mit nicht einmal existenzsichernden Einkommen von Künstlern und Künstlerinnen. Hautnah und anschaulich konnte im Comedia-Theater die Schauspielerin Aischa-Lina Löbbert  von der „Vereinigung kulturpolitischer Schauspieler“ diese prekäre Lebenssituation beschreiben. Jedenfalls die freien Theater  müssen ihre Personalkosten so gering halten, dass nur schwer ein Ausweg aus diesem Dilemma gefunden werden kann. Wenn der gesetzliche Mindestlohn auch für künstlerische Tätigkeiten Anwendung finden soll, ergibt sich ein weiter steigender Finanzierungsbedarf. In dieser Klemme kommt kaum ein Theater oder Museum ohne die Mischfinanzierung durch Projektzuschüsse und Sponsorenmittel von Unternehmen oder Stiftungen aus.

Es wurde deutlich, dass es zunehmend schwierig werden wird, kommunale Kunst- und Kulturausgaben zu legitimieren und zu erhalten. Professor Berg vermutet, dass auf politischer Ebene nur noch über Sparzwänge und nicht mehr über Inhalte und Ziele geredet werde. Der sogenannte „Schuldenbremse“ werde dieses Problem noch einmal eklatant verschärfen.

In der bildenden Kunst sind nahezu alle Künstlerinnen und Künstler lange Zeit auf das finanzielle Überleben durch anderweitige Berufsausübung – oft Lehrtätigkeiten – angewiesen. Im Bonner „Haus der Kultur“ verdeutlichte die Geschäftsführerin der „Stiftung Kulturfond“  Dr. Karin Lingl dies am Beispiel der letztlich erfolgreichen Künstlerin Prof. Ulrike Rosenbach. Leider konnte Ulrike Rosenbach wegen einer Erkrankung nicht, wie geplant, selbst an der Diskussion mit der Lippischen Gesellschaft teilnehmen. Immerhin vergibt die „Stiftung Kunstfond“ Unterstützungsstipendien in den verschiedenen Sparten an Künstlerinnen und Künstler und an Kunstvermittler. Gäbe es diese Unterstützung nicht, gäbe es viele Kunstwerke nicht.

Überleben und Geldanlage auf dem Kunstmarkt

Professor Dr. Gerhard Pfennig rückte als langjähriges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der „Verwertungsgesellschaft Bild – Kunst“ sehr eindrücklich die schwierigen Lebensverhältnisse vieler Kunstproduzenten in den Blick. Es sei in Deutschland ein wichtiger Schritt gewesen, dass in der Brandt-Scheel-Ära in den 70er Jahren die Künstlersozialversicherung eingeführt worden sei.  Die „VG Bild-Kunst“ sorgt dafür, dass durch Lizenzverträge Einnahmen für Nutzungsrechte an künstlerischen  Werken erzielt werden, die an die Produzenten verteilt werden. Die internetbasierte internationale Nutzung durch die großen Konzerne Google oder Amazon mache die Durchsetzung dieser Rechte zunehmend schwierig. Prof. Dr. Pfennig warf einen kritischen Blick auf das Auseinanderklaffen des Kunstmarktes mit prekären Einkommen bei vielen und dem milliardenschweren „Oligarchenmarkt“ der Wenigen, der sich nicht an der Qualität von Kunstwerken orientiere, sondern Reichtumsschau oder gezielte Geldvermehrung sei.

Schon der Kunstsammler und Kurator Martin Leyer-Pritzkow hatte am ersten Tag der Themenfahrt darauf hingewiesen, dass Kunstwerke im Angebot einiger internationaler Hedgefonds seien und auf den internationalen Finanzmärkten wie Aktien gehandelt würden. Der Einfluss auf Künstler und Künstlerinnen müsse kritisch beobachtet werden. Natürlich korrumpiere diese Entwicklung auch manche Künstler, urteilte Leyer-Pritzkow.

Breiteste und beste Kulturlandschaft der Welt

„Wir sind ein unglaublich reiches Kulturland“, fasste Professor Berg zusammen, dies müsse erhalten werden. Die Mitglieder der Reisegruppe der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte gewannen auf ihrer Themenreise genau diesen Eindruck. „Es nötigt uns unvorstellbar großen Respekt ab, wie geniale Künstlerinnen und Künstler sich mit den Fragen ihrer Zeit auseinandersetzen und mit welcher Phantasie sie noch nicht dagewesene Darstellungsformen finden“, fasst Mitorganisator Rolf Eickmeier die Eindrücke zusammen. „Wir können dankbar sein, dass auch uns dadurch neue Perspektiven ermöglicht werden.“

Zu den auch in Lippe weiter zu diskutierenden Erkenntnissen gehört auch, dass für die Sicherung und Weiterentwicklung von Kunst und Kultur ein äußerst vielfältiger Organisations- und Managementhintergrund gehört und dass  förderliche politische Rahmenbedingungen unerlässlich sind. Kunst- und Kulturförderung braucht vor allem eine sichere Finanzierung, die durch eine breite öffentliche Auseinandersetzung entstehen muss. Ein Staat muss sich und kann sich die Finanzierungsmöglichkeiten für seine Aufgaben erschließen.

Weitere Informationen zu Personen und Institutionen finden sich auf der Vorbereitungsseite für diese Themenfahrt.

Fotos aus Solingen und Bonn

 

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