„Wir brauchen eine starke Demokratie“

Dr Stefan Roch in der Diskussion

„Das war Ungarn aus erster Hand. Es ist bedrückend und erschreckend, wie im EU-Mitgliedsland Ungarn die Demokratie ausgehöhlt und abgeschafft werden konnte“, wunderte sich eine Zuhörerin der „Politik-am Samstagvormittag“-Veranstaltung der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte am Samstag im „KastanienHaus am Wall“. Dr. Stefan Roch, Mitarbeiter der Bertelsmann-Stiftung im Projekt „Zukunft der Demokratie“ konnte aus eigener Erfahrung anschaulich beschreiben, wie Victor Orban den Staat zu einer „illiberalen Demokratie“ umgebaut hat.

Dr. Roch hat viele Jahre in Ungarn gelebt. „Illiberale Demokratie“ ist planmäßige Abschaffung der Demokratie.“ Er beschrieb, wie in anderen Ländern Europas die populistischen Netzwerke ebenfalls nach der Macht streben. Er hält es für nicht ausgeschlossen, dass auch in Deutschland antidemokratische Kräfte weiter an Bedeutung gewinnen, die die ungarische Entwicklung als Vorlage benutzen.

Es wurde heiß darüber diskutiert, warum Ungarn mit immensen EU-Fördergeldern weiter unterstützt wird. Dr. Roch verwies in diesem Zusammenhang auf die Interessen gerade auch deutscher Großunternehmen, die in Ungarn ihre kostengünstigen Produktionsstandorte haben. „Diese Kapitalinteressen überdecken die demokratischen Werte“, fasste Diskussionsleiter Rolf Eickmeier zusammen.

„Schwierig ist es schon, auf europäischer Ebene zu politischen Beschlüssen und Maßnahmen zu kommen. Bei unterschiedlichen Interessen in dem verschachtelten EU-System geht es nicht ohne Kompromisse“, machte Dr. Roch noch einmal deutlich. Stärkung und Ausbau demokratischer Beteiligung könne im Zusammenwirken von größeren Rechten des Europaparlaments mit den Möglichkeiten von Bürgerbeteiligung versucht werden. Die bestehenden Instrumente wie offizielle Bürgerdialoge, europäisches Volksbegehren, Petitionen und Anrufung des europäischen Ombudsbüros bei Beschwerden müssten noch viel bekannter werden. Auch mit der Wahl zum europäischen Parlament könnten Zeichen gesetzt werden.

Rolf Eickmeier (LGPZ) stellte am praktischen Beispiel der Internet-Plattform „europa-mein-dein-unser.de“ vor, wie dort der Dialog zwischen Jugendlichen und Europapolitiker*innen in den vergangenen Wochen entstanden ist und weitergeführt werden soll. Nur so könne europäische Politik nachvollziehbar und beeinflussbar werden. Er forderte auch die älteren Teilnehmer*innen auf, diese Diskussionsmöglichkeit mit den ostwestfälischen Politiker*innen zu nutzen. Die Hemmschwelle zur aktiven Beteiligung im Internet müsse überwunden werden, forderte er.

Dr. Rochs Fazit: „Wir brauchen eine starke Demokratie, wir brauchen den Ausbau und die Belebung demokratischer Instrumente. Dabei ist viel zu tun. Es müssen sich viele mit ihrem Interesse und mit ihrem aktiven Handeln beteiligen.“

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