Konzepte politischer Bildung in Thüringen
Während der LGPZ-Themenfahrt nach Thüringen konnten beeindruckende Projekte und Aktionen zur politischen Bildung und vielfältiges persönliches Engagement zur Festigung der Demokratie kennengelernt werden. Auf lokaler Ebene gibt es zum Beispiel ein Bündnis für Demokratie, von der Stadt Weimar und vom Land Thüringen wird die breit angelegte „Europäische Jugendbildungs- und -begegnungsstätte“ getragen, dazu gibt es viele kulturelle und schulische Bemühungen. Ist das alles wirkungslos, fragt man sich unwillkürlich angesichts der Stimmergebnisse für die AfD in den letzten Wahlen?
Weil auch die Lippische Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte eine Vereinigung mit dem Ziel politischer Bildung ist – übrigens laut Satzung, insbesondere auch für junge Leute ( ! ) – wurde Steve Eichler, einer der pädagogischen Mitarbeiter in der EJBW in Weimar, gebeten, die Intentionen und Konzepte dort noch einmal zu erläutern.
Interview mit Steve Eichler ( EJBW Weimar )
Welche Möglichkeiten und Schwerpunkte sehen Sie in internationalen Jugendbegegnungen?
Internationale Jugendbegegnungen ermöglichen jungen Menschen interkulturellen Austausch, den Aufbau persönlicher Netzwerke und die Entwicklung demokratischer Handlungskompetenzen. Sie fördern das Verständnis für unterschiedliche Kulturen und stärken die Völkerverständigung. Die EJBW legt dabei besondere Schwerpunkte auf europapolitische Themen in Verbindung mit dem Lernort Weimar, historisch-politische Bildung, Menschenrechte und Nachhaltigkeit. Die Bildungsangebote kombinieren interaktive Methoden mit Reflexionsräumen, um kritisches Denken und aktive gesellschaftliche Teilhabe zu fördern.
Wie reagieren Sie auf hohe Wähleranteile junger Menschen für nationalistische und demokratiegefährdende Parteien?
Die EJBW verstärkt ihre politische Bildungsarbeit mit Workshops, Seminaren und Projekten, die junge Menschen dazu befähigen, demokratische Werte zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. Ziel ist es, die Resilienz gegenüber extremistischen Ideologien zu stärken und eine demokratische Debattenkultur zu fördern.
Ein zentrales Element dieser Arbeit ist die „Weimarer Erklärung“, die von verschiedenen Bildungseinrichtungen, darunter die EJBW, unterzeichnet wurde. Sie betont die Verantwortung der politischen Bildung, junge Menschen in einer offenen und demokratischen Gesellschaft zu stärken und rechtsextremen sowie autoritären Tendenzen entgegenzuwirken.
Bietet Weimar besondere Voraussetzungen und Anregungen für die politische Jugendbildung?
Weimar als Stadt mit reicher politischer und kultureller Vergangenheit bietet einzigartige Lernmöglichkeiten für die Jugendbildung. Die EJBW nutzt verschiedene Museen und Gedenkstätten der Stadt, um historische und gesellschaftspolitische Bildung mit aktuellen Fragestellungen zu verknüpfen.
Welche thematischen Schwerpunkte setzen Sie dabei?
- Weimarer Republik als Experimentierfeld der Demokratie und ihr Scheitern als Lernanlass für heutige demokratische Herausforderungen.
- Bauhaus als Ausdruck eines modernen, progressiven Denkens, das gesellschaftlichen Wandel mitgestalten wollte.
- Postkolonialismus und die Auseinandersetzung mit globalen Machtstrukturen, kolonialen Kontinuitäten und deren Auswirkungen bis in die Gegenwart.
- Gedenkstätte Buchenwald als zentraler Ort der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus heute.
- Erprobung neuer digitaler Kommunikationswege und -methoden:
Die EJBW setzt digitale Formate wie Webinare, digitale Lernplattformen und interaktive Online-Tools ein. Diese erleichtern Jugendlichen den Zugang zu Bildungsangeboten und ermöglichen eine partizipative Gestaltung.
Zudem wird verstärkt die Rolle sozialer Medien als Informationsraum für politische Bildung thematisiert. Junge Menschen sollen lernen, Desinformation zu erkennen, rechtsextreme und verschwörungsideologische Influencer zu analysieren und Handlungsoptionen zu entwickeln, um eine demokratische Debattenkultur im digitalen Raum zu fördern.
Welche formellen und informellen Netzwerke gibt es im Bereich von Jugendbildungseinrichtungen und zwischen Teilnehmenden?
Die EJBW ist Teil verschiedener Netzwerke, die den Austausch zwischen Jugendbildungseinrichtungen und Teilnehmenden fördern. Dazu gehören:
- Netzwerk Demokratiebildung Thüringen
- Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW)
- Jugend für Europa
- Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
- Akademie für Kinder- und Jugendparlamente Thüringen
- Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
Diese Netzwerke bieten Plattformen für Fachkräfte und Jugendliche, um sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Initiativen für die politische Bildung zu entwickeln.
Steve Eichler schließt seine Informationen mit dem Hinweis, dass auch Jugendgruppen anderer Bundesländer in der Jugendbildungseinrichtung in Weimar herzlich willkommen sind:
„Ich würde mich freuen, wenn sich schulische und außerschulische Träger aus OWL für eine europapolitischen Bildungswoche bzw. eine internationale Begegnung in Weimar finden und wir gemeinsam ein Programm und Termin für z. B. 2026 vereinbaren können.“
In den Gesprächen und Diskussionsrunden der LGPZ werden die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der politischen Bildung weiter auch mit eigener Betroffenheit thematisiert.