Konkurrenz und Machtkämpfe zwischen Nationalstaaten … und die Folgen

1945

…. im März oder April. Wir waren als Flüchtlinge aus dem Warthegau in Zeesen bei Königswusterhausen, also südöstlich von Berlin gestrandet. Einquartiert waren wir in einem freistehenden Haus an der Zuwegung zu einer Kaserne (oder einem Postschutzlager). An der Straße lagen ein Hochbunker und hinter einer Mauer ein Lazarett.

Auf der anderen Straßenseite verlief parallel zur Zuwegung ein Bahngleis. Auf diesem Gleis wurde eines Tages ein Güterzug abgestellt. Es waren geschlossene Wagen, aus denen ein nicht zu überhörendes Stöhnen zu vernehmen war. Meine ältere Schwester und ich sind dann (wir waren damals 9 und 6 1/2 Jahre alt) mit einem Eimer, gefüllt mit Wasser und darin etwas aufgelöster Vierfruchtmarmelade, von Waggon zu Waggon geklettert, um den Verwundeten etwas zu trinken zu geben. Die Soldaten lagerten auf spärlichem Stroh: durchblutete, notdürftige Verbände, Tote neben noch Lebenden und Sterbenden. Wir durften Verwundeten mit Bauchschuss kein Wasser geben, auch wenn sie darum bettelten.

Meine Schwester und ich haben das zwei oder drei Tage lang gemacht. Dann erst begann die Versorgung der Verwundeten.

 

Im April 1946

…. kam mit der Extertalbahn ein langer Zug Vertriebener, Flüchtlingen und Evakuierten in Bösingfeld  am Bahnhof an. Für uns Kinder war das ein Ereignis. An uns zogen vorbei Gruppen von Menschen aus Kindern, Frauen und Älteren mit ihrem Hab und Gut vorbei, also mit dem, was noch übrig war. Sie waren nicht willkommen.Tage zuvor hatte der Gemeindediener Räume in unserem Wohnhaus für diese Menschen beschlagnahmt. Sie zogen bei uns ein, sie blieben lange, wurden zu Hausgenossen.Ich will nicht noch einmal in einem Europa leben müssen, in dem Menschen ihre Heimat verlieren, fliehen müssen, vertrieben werden, evakuiert werden.
Ich will ein Europa behalten, in dem Heimat Heimat bleibt, innerer und äußerer Friede mein Alltag ist.“

Nationalen Grenzen … und Grenzkontrollen

Wir machten 1958

…. einen Badeurlaub auf der Nordseeinsel Borkum. Meine Mutter,meine Schwester und ich, wir fuhren mit der Fähre  nach Holland. Auf dem Schiff galt es, ein Visaformular auszufüllen nebst einer Zollerklärung. Aus Angst davor, etwas falsch zu machen, waren wir zögerlich. Auf dem Rückweg das Gleiche. Alle waren beklommen.
Ich will, dass es in Europa so bleibt wie es ist: Von Land zu Land zu fahren, ohne den Pass zu zeigen, ohne Geld zu tauschen, überall die gleichen Grundrechte zu haben.

Als Grundschüler

…. war ich mit meiner Familie in den Niederlanden. Auf der Rückfahrt nach Hause wurden wir von den Grenzbeamten eingehend kontrolliert. Ich erinnere mich an meine Angst aufzufliegen, da meine Mutter etwas mehr Schokolade eingekauft hatte, als zollfrei ausgeführt werden durfte. Glücklicherweise konnten wir unbehelligt die Grenze passieren.

Die „Vor-Europa-Zeit“ ist für mich damit verbunden, dass das Reisen keineswegs so komfortabel war wie heutzutage. Heute gibt es nämlich keine Grenzkontrollen und mit dem Euro kann man nahezu überall bezahlen.
Um eine Reise z.B. von Deutschland nach Spanien zu unternehmen, mussten neben DM auch französische Francs und spanische Peseten mitgeführt werden. Drei Geldtaschen waren sinnvoll! Im Ausland war man dann mit Umrechnungstabellen unterwegs, wenn man etwas kaufen wollte, oder man übte ständig das Kopfrechnen.
Hinzu kamen genaue Grenzkontrollen von Pässen und zu verzollenden Waren und damit lange Wartezeiten an den Grenzen. Immerhin konnte man in der Regel an den noch längeren Warteschlangen der LKWs vorbeifahren, bei denen die Kontrolle natürlich noch länger dauerte. Dann zu Hause wieder der Rücktausch übrig gebliebener Fremdwährungen in DM.

Lange Schlangen

…. an den Grenzen, schon zu den Nachbarländer, persönliche Passkontrollen. Unbehagliches Gefühl. Unsicherheit und Ängstlichkeit bei Reisen in den „Ostblock“. Gruppenreise mit Bus zum Ostberliner Flughafen Schönefeld. Im Bus „großes Wort“ eines Teilnehmers während der Kontrollen. Folge: Noch peniblere Kontrollen als üblich, Pässe zur genaueren Kontrolle in Kontrollgebäude mitgenommen. Zeit verrennt mit der wachsenden Gefahr, das Flugzeug zu verpassen. Alle werden nervös. Am Ende Flugzeug gerade noch erreicht.

Grenzen heute …. und Überwindung des Angsttraumas

April 2015

…. Gründung „Schlossmäuse“ mit der Kleiderstube für Flüchtlingskinder. Unterstützung durch Landesverband, Stadtverwaltung und private Spender. Nach vier Jahren Bestehen der Initiative weitgehende Überwindung des Fluchttraumas bei Eltern und Kindern. Kindergärten, Schule und Sport halfen bei Integration. Auch für uns Glück und Zufriedenheit, dass diese Eltern und Kinder wieder angstfrei leben können. Dank der Eltern groß. Bestätigung unseres Einsatzes.