Seit der Themenreise des vergangenen Jahres nach Lemberg/Lviv nehmen die Mitreisenden der Lippischen Gesellschaft für Politik und Zeitgeschichte die Ereignisse und Entwicklungen in der Ukraine mit großer Aufmerksamkeit wahr. Deshalb ist das Interesse groß, aktuelle Fragen mit Hans Christian Heinz zu diskutieren, der ein profunder Kenner der osteuropäischen Geschichte und genauer Beobachter der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Ukraine ist. Als Reiseleiter hatte er die lippische Gruppe durch sein Fachwisssen tief beeindruckt. Er wird am Freitagabend, am 27.05.2016, in Cafe Vielfalt in Lemgo über die aktuellen Entwicklungen berichten.
Er wird dabei sicher auch über die Rolle des durchaus umstrittenen Lemberger Bürgermeisters Andrij Sadovyj, mit seiner Partei „Selbsthilfe“ drittstärkste Kraft im Lande, bei der jüngsten Regierungsneubildung sprechen. Das interessiert die Lippische Gesellschaft deshalb besonders, weil während des Aufenthalts in Lemberg mit Andrij Sadovyj ein längeres Gespräch stattgefunden hat und in der vorhergegangenen Mitgliederversammlung Auszüge aus einer kritischen Fernsehdokumentation gezeigt worden sind. Zentraler Vorwurf war dabei wohl das Hauptproblem in der Ukraine: die Korruption und Günstlingswirtschaft.
Deshalb stellt sich immer wieder die Frage: Kann die Ukraine zu einem stabilen Rechtsstaat werden? Zum neuen Ministerpräsidenten ist vor kurzem Volodymyr Hrojsman (Wladimir Groisman) gewählt worden. Im Berliner TAGESSPIEGEL hieß es dazu: „Ich werde Ihnen zeigen, was es bedeutet, ein Land zu führen“, sagte Groisman vor der Abstimmung. Er werde gegen die drei größten Gefahren für das Land kämpfen: die Korruption, die Ineffizienz und den Populismus. Sie seien nicht weniger gefährlich, als der Feind in der Ostukraine, sagte er mit Blick auf die pro-russischen Separatisten.“ Der neue Ministerpräsident war junger und effizienter Bürgermeister in Staatspräsident Poroschenkos Heimatstadt und wurde von ihm protegiert. Umso erstaunter war die Öffentlichkeit, dass er es wagte, sein Kabinett nicht nach den dezidierten Wünschen Poroschenkos mit fest im System arbeitenden Politikern, sondern durchaus mit „Reformern“ seiner Wahl zu besetzen. „Alles andere als folgsam“ , hieß es deshalb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN.
Natürlich müssen all diese Fragen auch im Verhältnis zur EU eine wichtige Rolle spielen, sagt zum Beispiel Claudia von Salzen im TAGESSPIEGEL in einem Kommentar nach dem Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten Jazuenjuk: „Wenn die EU der Ukraine wirklich helfen will, sollte sie den Kampf gegen Korruption gezielt unterstützen und die junge Zivilgesellschaft fördern. Auch die von der EU-Kommission jetzt vorgeschlagene Visafreiheit für die Ukraine ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zugleich sollte die EU der neuen Führung in Kiew klar machen, dass sie nur dann mit Unterstützung rechnen kann, wenn sie entschlossen gegen Korruption vorgeht, die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet und Reformen vorantreibt.“
Viele weitere Fragen sind in der Ukraine ungelöst, vor allem natürlich die Situation in der Ostukraine. Immer wieder wird auch von Außenminister Steinmeier die Einhaltung des Minsker Abkommens verlangt. Beide Seiten tragen wohl immer wieder dazu bei, dass die Situation nicht befriedet werden kann. In dieser Situation beruhigt es natürlich zumindest in Deutschland wohl kaum jemanden, ständig von weiterer Aufrüstung der NATO und auch der russischen Seite zu hören. Mehr Militär, mehr Manöveraktionen und Konfrontationen haben die Welt bisher nicht sicherer gemacht. Dennoch steigen die Militärausgaben wieder stärker an und die Ukraine ist in diesem Konfrontationsszenario ein wichtiger Teil.
Also, es gibt viele Fragen zu den Entwicklungen in der Ukraine.